Knapp vier Jahre ist es her, dass RTL eine grundlegende Änderung in seinem Abendprogramm vornahm - an vier Abenden pro Woche lief seither in der Regel um 22:15 Uhr in Konkurrenz zu den ARD-"Tagesthemen" das Nachrichtenmagazin "RTL Direkt", auf das der Sender so große Stücke hielt, dass man nicht nur den langjährigen "Tagesschau"-Chefsprecher Jan Hofer verpflichtete, sondern auch noch in Kauf nahm, den eigentlich so wichtigen Audience Flow zu stören.

Doch auch wenn RTL bis heute bemüht ist, "RTL Direkt" als Erfolgsgeschichte zu verkaufen, so gehört auch zur Wahrheit, dass das Magazin aus eigener Kraft augenscheinlich nur wenige Einschaltimpulse beim Publikum auslöste. Nach vier Jahren zieht der Privatsender daher jetzt einen Schlussstrich und beendet "RTL Direkt", wie am Dienstag bekannt wurde. Die letzte Ausgabe soll demnach am 23. Juli ausgestrahlt wurde.

Inga Leschek © RTL / Marina Rosa Weigl Inga Leschek
"Schweren Herzens" habe man sich zu dem Schritt entschieden, erklärte Inga Leschek, Chief Content Officer bei RTL Deutschland. Zugleich versicherte sie allerdings, die News-Berichterstattung von RTL spiele auch "weiterhin eine elementare Rolle, denn sie ist zu einem großen Teil mit verantwortlich für unseren Erfolg". Den Grund für die Einstellung von "RTL Direkt" wähnt Leschek nicht etwa in der inhaltlichen Ausrichtung der Sendung, sondern ganz grundsätzlich im Wandel des Fernsehmarktes. Mit der "Optimierung der Primetime" reagiere man auf "massive Nutzungsveränderungen", sagt sie. "In Zeiten, in denen der Wettkampf um Aufmerksamkeit nie größer war, wird es immer wichtiger, mögliche Umschaltpunkte zu reduzieren, um die Verweildauer der Zuschauer beim Sender zu erhöhen." 

Gleichzeitig gewinne die unmittelbare und ausführliche Liveberichterstattung rund um Ereignisse wie zuletzt die Beerdigung von Papst Franziskus und die Wahl seines Nachfolgers oder die Wahl des Bundeskanzlers immer mehr an Wichtigkeit für das lineare TV. "Hierfür gilt es, unsere Ressourcen zu bündeln und RTL im Wettbewerb mit den Öffentlich-Rechtlichen zu stärken", so Leschek.

Martin Gradl © RTL / Marina Rosa Weigl Martin Gradl
Die Belegschaft wurde am Mittag in einem Business Update über den Schritt informiert, mit dem die Schließung der in Berlin angesiedelten Redaktion einhergeht. Betriebsbedingte Kündigungen wollte eine Sendersprecherin auf DWDL.de-Nachfrage zunächst nicht ausschließen, versicherte jedoch, dass gemeinsam mit dem Betriebsrat nach Lösungen gesucht werden soll, um eine Weiterbeschäftigung möglichst vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermöglichen. "Dass die Einstellung von 'RTL Direkt' mit der Trennung von sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen bei RTL News in Berlin einhergeht, bedauern wir außerordentlich", sagte Martin Gradl, Geschäftsführer von RTL News und ntv. "Wir sind ihnen für ihren Einsatz sehr dankbar und werden im Haus nach Alternativen für sie suchen oder sie bei der Suche nach einem neuen Job unterstützen."

Neue ntv-Talks mit Atalay und Blome

Tatsächlich plant man in Köln auch in Zukunft mit Berlin - und mit Pinar Atalay, die 2021 von der ARD zu gewechselt war und nach Jan Hofers Abschied zuletzt als Anchor von "RTL Direkt" fungierte. Für sie sollen nicht nur neue Formate entwickelt werden; ganz konkret wird Atalay im Herbst auch eine neue Talkshow beim Nachrichtensender ntv moderieren, ebenso wie Politikchef Nikolaus Blome. Damit werde man die Hauptstadt "als politischen Standort der Gruppe weiter stärken", betonte Gradl.

Aus Quotensicht wird man bei RTL das Ende von "RTL Direkt" indes verschmerzen können, auch wenn das Nachrichtenmagazin in diesem Jahr bislang im Schnitt mehr als elf Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen erzielte - allerdings nicht zuletzt getrieben durch das quotenstarke Dschungelcamp-Umfeld zu Jahresbeginn, in dem der Sender noch dazu auf Mini-Ausgaben setzte. Im Mai erzielte die Sendung bislang hingegen weniger als acht Prozent, was auch dem erwähnten Audience Flow wenig zuträglich ist.

Was das Aus der Sendung für das künftige Programmschema von RTL bedeutet, ist aktuell noch nicht ganz klar - allerdings spricht wohl einiges dafür, dass Magazine wie "Stern TV" und "Extra" demnächst wieder auf ihren ursprünglichen Sendeplatz um 22:15 Uhr vorrücken werden und der "Bauernreporter" nicht mehr 20 Minuten warten muss, ehe er die "Bauer sucht Frau"-Geschichten weitererzählen darf. Als gesichert gilt aber schon jetzt, dass Günther Jauch mit "Wer wird Millionär?" keine Quiz-Pause mehr einlegen wird. Wer in der Primetime Nachrichten sehen will, muss künftig den Sender wechseln.